Autofahrt in die Gleichberechtigung ? – Frauen in Saudi Arabien
Wenn sich Frauen in Deutschland heute nicht gleichberechtigt fühlen, geht es um bedeutende Themen wie Lohnunterschiede und eine geringe Anzahl von weiblichen Führungskräften. Aber können Sie sich vorstellen, dass es Frauen gesetzlich verboten ist Auto zu fahren? Dass Sie Verträge und Arbeitsverhältnisse nur eingehen können, wenn Ihr Ehemann oder ein Blutverwandter zustimmt? Noch vor wenigen Jahrzehnten galten diese Verbote auch für deutsche Frauen, doch im 21. Jahrhundert erscheint es uns unvorstellbar, als Frau in allen Lebensbereichen vom Ehemann abhängig zu sein.
In Saudi Arabien dagegen ist genau das Realität. Die Golfregion ist das einzige Land auf der Welt, in dem es Frauen gesetzlich verboten ist Auto zu fahren. Genau dagegen wollten saudi – arabische Frauen der Gruppe „Women2Drive“ am 26. Oktober protestieren und riefen im Vorfeld dazu auf, dass sich Frauen trotz des Verbotes hinter das Steuer setzten sollen. Das Fahrverbot bedeutet eine starke alltägliche Einschränkung in einem Land, in dem es keine öffentlichen Verkehrsmittel gibt. Wenn Frauen ihre Wohnung verlassen möchten, sind sie immer auf ihren Ehemann, Bruder oder Sohn angewiesen. Doch den Frauen ging es um mehr: Selbstbestimmung und persönliche Freiheit. Kurz vor dem Protesttag riefen die Aktivistinnen ihre Mitstreiterinnen jedoch zurück, da das Innenministerium mit verschärften Strafen gegen den Gesetzesbruch drohte. Dennoch tauchten im Internet Videos von Frauen auf, die am Steuer saßen. Im Vorhinein hatten fast 20.000 BürgerInnen die Aktion mit Unterschriften unterstützt. Außerdem forderten weibliche Abgeordnete des Schura – Rates, dass über die Aufhebung des Fahrverbotes diskutiert wird.
Die starke Aufmerksamkeit für die Abschaffung des Fahrverbotes geht einher mit einer schleichenden Veränderung der Geschlechterverhältnisse. In diesem Jahr hat der König Abdullah erstmals 30 Frauen in den Schura – Rat berufen, dessen Mitglieder alle 5 Jahr vom König ernannt werden. Zwar hat das Gremium nur eine beratende Funktion, dennoch setzte der König mit einem Dekret fest, dass in Zukunft 20 Sitze im Rat an Frauen vergeben werden müssen, damit spätere Regierungen den Schritt zur Gleichberechtigung nicht rückgängig machen können. Außerdem besitzen Frauen seit kurzem das passive Wahlrecht. Der König gab bekannt, dass Frauen ab dem Jahr 2015 bei den einzigen Wahlen, bei denen saudi – arabische Bürger mit wählen dürfen, den Kommunalwahlen, ein aktives Stimmrecht erhalten. Damit würden Frauen, bei der im Land allgemein beschränkten Mitbestimmungsmöglichkeit, den Männern weitgeheng gleichgestellt sein. Auch in anderen Bereichen wird die strikte Geschlechtertrennung langsam aufgehoben. So dürfen seit einem Jahr alleinstehende Männer auch Einkaufszentren betreten, in denen auch Frauen einkaufen. Ein Bauherr bekam Anweisungen vom Staat, in einem Hochhausviertel keine getrennten Eingänge und Räume für Männer und Frauen zu bauen.
Trotz kleinen Fortschritten ist in Saudi Arabien noch lange nicht von einer annähernden Gleichberechtigung zu sprechen. Dem Gesetz nach unterliegen Frauen immer noch der gesetzlichen männlichen Vormundschaft. Damit sind sie nicht geschäftsfähig und dürfen das Land nicht ohne Erlaubnis verlassen. Erst seit dem Jahr 1966 dürfen Frauen die Schule besuchen. Zwar gibt es inzwischen eine große Anzahl von Studentinnen, Vorlesungen von männlichen Dozenten dürfen sie aber nur über den Bildschirm verfolgen. Denn im gesamten öffentlichen Raum gilt die Regel, dass Frauen und Männer keinen persönlichen Kontakt haben dürfen, sofern sie nicht miteinander verwandt sind. An Universitäten, die nur für Frauen zugänglich sind, fehlt es an Lehrpersonal im Bereich der Naturwissenschaften.
Überraschend ist, dass zwei der einflussreichsten Frauen der Welt aus Saudi Arabien stammen. Nahed Taher ist die Vorstandsvorsitzende der Gulf Investment Bank und damit die erste Frau an der Spitze einer Bank in der Golfregion. Auch Lubja Olayan ist als Vorstandsvorsitzende der Olayan Financing Company die erste Frau in der saudischen Geschichte, die als Hauptrednerin bei einem großem saudi -arabischen Wirtschaftsforum auftrat. Zu den bekannten Frauen aus Saudi Arabien gehört auch die Regisseurin Haifaa Al Mansour, die mit „ Das Mädchen Wadja“ den ersten saudi-arabischen Spielfilm gedreht hat. In seinem Herkunftsland wird der Film jedoch nicht gezeigt werden. In Saudi Arabien sind Kinos nämlich verboten.
Wie sich die Situation der Frauen in Saudi Arabien zukünftig entwickelt, wird auch von der Regierung abhängen. Der König wird bald neunzig Jahre alt sein und ob nachfolgende Regierungen ähnliche Maßnahmen in Richtung Gleichberechtigung durchsetzten ist ungewiss.
Doch Aktivistinnen wie jene von „Women2Drive“ geben nicht auf. Sie wollen sich weiterhin gegen das Fahrverbot einsetzen und damit Reformen in allen Lebensbereichen anstoßen.