Fühlen Sie sich gleichberechtigt?
Fühlen Sie sich gleichberechtigt? Seit es den Artikel 3 des deutschen Grundgesetztes gibt, in dem es heißt „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ sollte jeder diese Frage ohne zu zögern mit „ja“ beantworten können. Doch eine Umfrage des Allensbach – Instituts im Auftrag der Zeitschrift „Emma“ hat ergeben, dass mehr als jede zweite Frau (54%) noch Handlungsbedarf in Bezug auf die Gleichberechtigung sieht. Nur 36 % der Befragten Frauen sehen die Gleichberechtigung als weitgehend umgesetzt an. Im Jahr 2011 waren es noch 42% gewesen. Für die Studie wurden im Juni dieses Jahres 1500 BundesbürgerInnen ab 16 Jahren über alle Generationen und sozialen Schichten hinweg befragt.
Während Frauen ihre Situation in den Bereichen Gehalt, Rolle in der Kirche und Aufgabenverteilung innerhalb der Familie besonders negativ bewerten, sehen 79 % bei Schule, Ausbildung und Studium die Gleichberechtigung weitgehend verwirklicht. Tatsächlich hat sich im Bereich der Ausbildung in den letzten Jahren einiges getan. Heute besuchen prozentual an der Bevölkerung gemessen, genauso viele Mädchen, wie Jungen die Oberschule. Dabei haben die Mädchen die Jungen nicht nur eingeholt, sondern auch überholt. Sie besuchen häufiger das Gymnasium und müssen seltener eine Klasse wiederholen. Auch bei den HochschulabsolventInnen haben Frauen mittlerweile einen Anteil von fast 50 % erreicht. In den technisch orientierten Studiengängen bilden Frauen aber immer noch eine Minderheit. Auch bei den Ausbildungsberufen sind Frauen bei männerdominierten Berufen kaum vertreten. Dennoch haben junge Frauen in sieben männerdominierten Berufen ihren Anteil im Vergleich von 2005 auf 2012 um mindestens vier Prozentpunkte gesteigert. Die langfristige Entwicklung von 1980 bis 2011 zeigt, dass sich die Anzahl der Frauen, die einen Berufsabschluss in männerdominierten Ausbildungen erlangt haben, immerhin von 5 % auf 10 % verdoppelt hat.
Auch in Hinblick auf die Lohngerechtigkeit stimmt die gefühlte Wahrnehmung mit der Realität überein. Nach einer aktuellen OECD Studie liegt der Gehaltsunterschied von Männern und Frauen bei mittleren Einkommen bei 22 %. In der katholischen Kirche wurde auch im Jahr 2013 ausgeschlossen, dass Frauen Priesterinnen werden können. Auch bei der Verteilung der Hausarbeit hat sich wenig geändert, belegt eine OECD Studie. Demnach verrichten Frauen in Deutschland immer noch deutlich mehr unbezahlte Arbeit als Männer. Etwa doppelt so viele Frauen kochen und kümmern sich um die Kinder, beim Putzen ist das Verhältnis sogar eins zu drei.
Auch was sich ändern muss, damit Frauen sich gleichberechtigt fühlen, geht aus der Allensbach Umfrage eindeutig hervor. Sie wünschen sich mehr Teilzeitjobs, Betreuungsmöglichkeiten und Männer, die im Haushalt mithelfen. Rund 85% der Befragten fordern flexiblere Arbeitszeiten für Mütter und Väter, 76% wünschen sich mehr Betriebskitas. Außerdem gibt es eine hohe Nachfrage nach speziellen Förderprogrammen für Frauen und der Wunsch ist gewachsen, sich zu organisieren, um die Interessen von Frauen gemeinsam durchzusetzen.
Das gerade in diesem Jahr die Umsetzung der Gleichberechtigung so negativ bewertet wird, hat mit der gewachsenen Aufmerksamkeit für das Thema zu tun. Durch die Sexismus Debatte, die durch # Aufschrei ausgelöst wurde und die Diskussion über die Frauenquote ist das Thema wieder mehr in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Auch in Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl, war es an der Zeit die amtierende Regierung in Hinblick auf die Frauenförderung zu beurteilen. Der Studie zufolge sind Männer und Frauen besonders enttäuscht von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nur jede dritte Befragte sagte aus, dass sich Merkel genügend für die Belange von Frauen einsetzte. Es bleibt abzuwarten, ob die kommende Regierung wichtige Maßnahmen wie die Frauenquote umsetzt, damit die Gleichberechtigung nicht nur ein Gesetzt bleibt, sondern auch gefühlte Realität annimmt.