Anonymisierte Bewerbungsverfahren- eine Chance?
Die Diskriminierung von Arbeitsuchenden ist in Deutschland immer noch gegenwärtig. Viele Bewerberinnen und Bewerber erhalten erst gar nicht die Chance, sich persönlich im Unternehmen vorzustellen, da sie im Bewerbungsverfahren aufgrund von Geschlecht, Alter oder Herkunft im Vorhinein aussortiert werden. Zahlreiche Studien belegen, dass vor allem Frauen mit Kindern sehr oft benachteiligt werden.
Das könnte sich mit dem so genannten „ anonymisierten Bewerbungsverfahren“ ändern.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) hat zu diesem Thema im Zeitraum von November 2010 bis Dezember 2011 ein Pilotprojekt durchgeführt, das jetzt ausgewertet wurde.
Dabei wurden 246 Stellen bei fünf Unternehmen und drei öffentlichen Arbeitgebern besetzt.
8.550 Personen hatten sich anonymisiert für die Stellen beworben.
Die Resonanz der Projektteilnehmer ist sehr positiv ausgefallen, sowohl bei den Arbeitsuchenden als auch bei den Arbeitnehmern. Eine Umfrage unter den Bewerbenden hat ergeben, dass die Mehrheit das neue Verfahren bevorzugt und auch gut mit der Umsetzung zu Recht kommt. Viele benötigten sogar weniger Zeit als bei herkömmlichen Bewerbungsschreiben.
Auch mehrere, der am Projekt beteiligten Unternehmen, wollen in Zukunft Teil-oder Voll-Anonymisierungen einführen. Schließlich arbeiten vielfältige Teams nachweislich produktiver und ein höherer Frauenanteil steigert den Erfolg eines Betriebes.
Vor allem könnte das Verfahren sichtlich dazu beitragen, die Chancengleichheit in Deutschland zu erhöhen. Jüngere Frauen mit Berufserfahrung zum Beispiel, die aufgrund eines möglichen Kinderwunsches schlechtere Karrierechancen haben, würden von der Anonymisierung stark profitieren.
Die Angst der Arbeitgeberschaft, beim Bewerbungsgespräch einer völlig fremden Person gegenüber zustehen, ist unbegründet. In der ersten Bewerbungsphase wird zwar auf ein Foto und Angaben zur Person, wie Name, Adresse, Alter, Familienstand oder Herkunft verzichtet. Wenn die Einladung zum Vorstellungsgespräch ausgesprochen ist, folgt aber eine zweite Runde, in der Personalleiter und -leiterinnen vollständige Unterlagen erhalten und sich entsprechend auf das Gespräch vorbereiten können.
In anderen Ländern wie den USA, Großbritannien und Kanada, ist der Verzicht auf persönliche Angaben bei der Bewerbung längst in vielen Unternehmen üblich. Belgien hat das Verfahren schon im ganzen öffentlichen Sektor eingeführt.
Deutschland will weiterhin auf Freiwilligkeit setzen und das Verfahren nicht gesetzlich einführen. Die Antidiskriminierungsstelle möchte Unternehmen mit dem Pilotprojekt dazu anregen, ihre Unternehmensstruktur zu überdenken und das anonymisierte Verfahren aus eigenem Interesse einzuführen.